Der Raubmord von Oldisleben im Jahre 1899
Wenige Tage vor Heilig Abend des Jahres 1899, am 14. Dezember, bestieg der aus dem preußischen Dorf Etzleben bei Heldrungen stammende Paul Hoffmann in Weimar das Schafott. In ihrer Samstagsausgabe vom 16. Dezember 1899 bemerkte dazu die Frankenhäuser Zeitung kurz, bündig und ohne einen Zusatz, der ein Mitgefühl erwecken könnte:
Über die Hinritung des Mörders Hoffmann:
Der ganze Akt vozog in 2 ¼ Minuten; vom Betreten des Saffots bis zum Faen des Kopfes ¾ Minute. Die Eltern des Mörders haen darauf verzitet, ihren Sohn nomals zu ſehen, wie au eine Auslieferung des Leinams nit verlangt wurde, dieſer wird vielmehr der Anatomie in Jena zugehen.Welches Vergehen ließ den Schwurgerichtshof in der schwarzburg-rudolstädtischen Residenzstadt Rudolstadt am 13. November des Jahres zu dem Schluss kommen, nur durch den Vollzug der Todesstrafe können die Taten gesühnt werden?
Gezielte Hiebe mit dem Beil
In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1899 wurden bei einem Einbruch im Dorf Oldisleben, wenige Kilometer südöstlich von Frankenhausen, fast die gesamte Familie des Bauern Friedrich Müller ausgelöscht. Nach dem Eindringen in das Haus wendete sich der Täter dem Schlafzimmer der Familie Müller zu, in dem das Ehepaar und seine beiden Kinder, ein 8 Monate alter Junge und ein vierjähriges Mädchen, gemeinsam schliefen.
Durch gezielte Hiebe mit einem Beil wurden Vater, Mutter und der Sohn lebensbedrohlich verletzt, dass Mädchen, dass zu schreien begann, sofort getötet. Anschließend raubte der Täter rund 500 Mark und machte sich davon.
Aufgefunden durch das Dienstmädchen am Morgen des 18. Februar vermochte keine ärztliche Hilfe das Leben von Vater und Sohn zu retten. Die Mutter rang mehrere Wochen mit dem Tod. Mehrere Beilhiebe hatten sie schwer am Kopf verletzt und gaben den Ärzten zunächst wenig Hoffnung. Sie sollte allerdings nie wieder völlig gesund werden.
Historische Postkarte
Schmied Börner verdächtigt
Die Untersuchungen in Oldisleben, das zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gehörte, nahm die Staatsanwaltschaft Weimar auf. Bald glaubte man, die Ermittlungen abschließen zu können. Der Verdacht war auf den Schmiedemeister Friedrich Börner gefallen, der angeblich in Geldnöten steckte und seitens des Bauern Friedrich Müller keine Hilfe erhalten habe. Ins Gefängnis nach Weimar gebracht, ergab eine Gegenüberstellung mit der genesenden Frau Müller kein Ergebnis. Die ihr zugefügten Kopfverletzungen hatten das Gehirn geschädigt, so dass sie nur in wenigen Momenten einen klaren Gedanken fassen konnte.
Schließlich wurde der Schmiedemeister wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden, jedoch war seine berufliche Existenz inzwischen zerstört. Kein Dorfbewohner ließ mehr bei ihm arbeiten.
Zeitgenössische Aufnahme aus der Heldrunger Zeitung
Angestellter lebte plötzlich auf großem Fuß
Alle polizeilichen Ermittlungen blieben erfolglos. Doch der Spürsinn des Gendarmen Reich aus der Stadt Heldrungen führte zum Erfolg. Von Beginn an hegte er einen Verdacht gegen Paul Hoffmann, der auf dem Hof der Familie Müller arbeitete und lebte.
Nicht lange nach der Tat begann P. Hoffmann »auf großem Fuß« zu leben. Er hielt Bekannte »frei«, zahlte hohe Beträge, 140 Mark, auf ein Sparbuch ein und machte zweideutige Bemerkungen in der Öffentlichkeit. Dies führte Gendarm Reich zuerst zu einem Versteck Hoffmann’s in der Nähe seines Heimatdorfes, in dem er ein mit Blut beschmiertes Messer entdeckte - da die Kinder auch Stichwunden erhalten haben sollen.
Zorn der Oldisleber entlud sich
Aufnahme im Juni 2014.
Der Gendarm verhaftete den Tatverdächtigen am 21. September in Etzleben und brachte ihn zu einem ersten Verhör durch den schnellstens mit dem Zug aus Weimar eingetroffenen Staatsanwalt in den »Thüringer Hof« am Bahnhof Heldrungen. Auch Paul Hoffmann wurde dann ins Gefängnis nach Weimar überstellt. Schließlich gestand er den Raubmord ein und schilderte ausführlich den Hergang.
Als er unter schwacher Bewachung zu einer Besichtigung des Tatortes nach Oldisleben gebracht wurde, entlud sich der Zorn der Ortsbewohner.
Nur mit Mühe gelang es einem Wachtmeister und dem Gemeindediener, den überführten Mörder in einem nahen Hause vor den nachdrängenden Dorfbewohnern abzuschirmen. Diese hatten ihm bereits einige Wunden beigebracht und der herbeigeholte Dorfarzt hatte ihn zu versorgen.
Ohne moralische Skrupel setzte er noch seinen Dienst fort
In großer Anteilnahme hatten die Dorfbewohner Monate zuvor den Vater und die beiden Kinder zu Grabe getragen. Den kleinen Jungen hatte man dabei dem Vater in die Arme gelegt. Ihre Wut entlud sich, da der Mörder den Trauerzug unter vorgespielter Anteilnahme begleitet hatte.
Er hatte ebenso die Kaltschnäuzigkeit gehabt, am Morgen nach der Tat bei der von ihm schwer verletzten Frau Müller Wache zu halten und bis zum Verkauf des gesamten Anwesens zum 1. Juni 1899 durch den Bruder von Frau Müller seinen Dienst fortzusetzen.
Hoffmann erwartete Gnade des Herzogs
Nachdem das Schwurgericht Rudolstadt auf dreifachen Mord und einen Mordversuch erkannt hatte, verkündete es ebenso wegen der Kaltblütigkeit des Verbrechens die Verhängung der Todesstrafe. Da die Staatsanwaltschaft Weimar die Untersuchungen geführt hatte, erfolgte die Hinrichtung im Landgerichtsgefängnis in der Residenz des Großherzogtums. Bis zum Schluss war Paul Hoffmann davon ausgegangen, dass ihn der hochbetagte Großherzog Carl Alexander (1818 – 1901) lediglich zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe begnadigen würde. Doch dieser wies das Ansinnen entschieden ab.