Von Stein und Sühnekreuzen
An Weg- und Straßenrändern oder an Wegkreuzungen haben sich bis in die Gegenwart besondere Denkmale des Mittelalters erhalten. Es handelt sich um Steinkreuze, die mehr oder weniger kunstvoll gearbeitet sind. In der Regel bestehen sie aus dem Steinmaterial, welches sich in unmittelbarer Umgebung des Standortes befindet.
Ein solches Steinkreuz wurde gesetzt, um Sühne für verschieden Taten zu leisten. Oft handelte es sich um einen Mordfall. Die im mittelalterlichen christlichen Glauben verwurzelten Menschen gingen davon aus, dass das Opfer unvorbereitet in die Seligkeit gegangen ist. Dem Täter wurde zur Pflicht auferlegt, zur Sühne verschiedene Opfer zu bringen. Unter anderem musste von ihm ein Steinkreuz als Zeichen der Buße gesetzt werden. Dieses wurde nicht immer an die Stelle der Tat gesetzt, sondern an einem belebten Weg oder an einer Straße. Viele Menschen sollten auf die Tat aufmerksam gemacht werden und gleichzeitig sprachen die Vorübergehenden ein Gebet für das Opfer.
Die Errichtung dieser Sühnekreuze fällt in die Zeit des 13. bis 16. Jahrhunderts. Nach der Reformation setzte sich langsam ein anderes Weltverständnis durch und für die Bestrafung von Mordtaten war die weltliche Rechtsprechung zuständig. Die Stein- oder Sühnekreuze haben sich bis in die Gegenwart erhalten und sie unterliegen dem Denkmalsschutz.
Um die Steinkreuze ranken sich meist Geschichten und Sagen, so auch um das Steinkreuz, welches sich an der Landstraße zwischen Ichstedt und Udersleben unter einer Linde befindet.
Vermutlich steht es an dieser Stelle seit dem 15. Jahrhundert. Noch zum Ende des 19. Jahrhunderts soll auf dem Kreuz ein Beil erkennbar gewesen sein. Eine dieser Sagen erzählt:
Einſt ging ein Fleier aus Bad Frankenhauſen gegen Abend na vobratem Tagewerk von Iſtedt kommend der Heimat zu. An der Grenze zwien Iſtedt und Udersleben ſah er ein Kalb ſtehen, das ihm herrenlos erien. Von Skrupel nit geplagt, ergriff der kräige Mann das Tier und hute es auf.
Als ihm aber beim Weitergehen das Kalb immer werer wurde, bekam er Gewiensbie und verſute daher das Tier zurüzutragen. Aber no ehe er an die Fundſtee kam, hae ihm der Teufel, der die Geſtalt des Kalbes angenommen hae, das Geni umgedreht und der Fleier ſank leblos zu Boden. Das Kalb ſo no heute in der Flur umherlaufen und die Gegend uner maen.
Das Kreuz stand an der südlichen Seite eines z.T. heute nicht mehr vorhandenen Feldweges, der an der Flurgrenze von Braunsroda und Reinsdorf vom Feldweg Braunsroda - Reinsdorf zur Fernverkehrsstraße 86 in Richtung Bretleben führte. Das Kreuz wurde letztmalig im Herbst 1984 gesehen. Die Sage berichtet von zwei Schäfern, die sich an dieser Stelle um Weideland gestritten hätten und sich dabei gegenseitig erschlugen.
Bild: suehnekreuz.de
Aufnahme Juni 2014
Aufnahme Juni 2014
Eine andere Sage erzählt:
In der Nähe von Iſtedt ſtanden früher 3 Kreuze in der Flur. Hier ſo ein Gloengießermeiſter mit ſeinem Geſeen und ſeinem Lehrling den Auftrag zum Guß einer Gloe erhalten haben. Der erſte Guß war mißlungen. Als der Meiſter nun zum zweiten Guß ri und au das Erz bereits in der Smelze war, glaubte er, daß die Menge nit ausreien würde.
Er mate daher auf den Weg na Frankenhauſen, um von dort no Erz zu holen, ſeinen Lehrjungen ließ er aber an der Stee zurü, damit dieſer das Feuer unter der Smelze unterhielt. Der verſpürte aber große Luſt, ſelbſt einmal zu verſuen, handelte gegen des Meiſters Anordnung und Befehl und ließ die Gloenſpeiſe in die Form laufen. Der Guß gelang. Als der Meiſter nun von Frankenhauſen zurükam und feſtſteen mußte, daß der Lehrling gegen ſein Gebot gehandelt hae, lug er dieſen brutal zu Tode.
Der ihm mit Erz nafolgende Geſee hae den Totlag mit anſehen müen. Da er ihn ungeretfertigt fand, empörte ihn die Tat ſeines Meiſters und erlug den Jähzornigen, dann aber legte er ſelbſt Hand an , weil au er ungeret gehandelt hae. Für die drei Gloengießer wurden ſpäter drei unteriedli große Steinkreuze geſet, das größte für den Meiſter, das mielſte für den Geſeen und das kleinſte für den Lehrling.
Heute steht an der vermeintlichen Stelle noch ein Steinkreuz, welches gleichzeitig die Flurgrenze zwischen Udersleben und Ichstedt bildet.