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Schwimmbad-Geschichten (6)

Schuldiger gesucht

Bereits einen Tag nach dem Einbruch des Beckens, am 23. Juli 1936, kam es im Beisein von Vertretern der thüringischen Landesregierung zu einem ersten Krisengespräch. 1 Sowohl Bürgermeister Neubauer als auch NSDAP-Ortsgruppenleiter Bartels und der Salinedirektor A. Clauß sahen in Architekt Immendorff den Hauptschuldigen. Seine Schuld galt den Anwesenden deshalb als erwiesen, da er die im April des Jahres durch die Mimas geäußerten Bedenken ignoriert hatte. Immendorff fand sich bereit, die Schadensansprüche an seine Versicherung, die Allianz, zur Prüfung weiterzuleiten. Ein alleiniges Schuldeingeständnis lehnte er ab.

Der Widerstand der Beschuldigten, für den entstandenen Schaden aufzukommen, bewog die Bauherren und ihren wichtigsten Geldgeber, die thüringische Landesregierung, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Neben dem Oberbergrat Schulze aus Weimar wurde Prof. Dr.-Ing. Georg Ruth (1880 - 1945). Dozent an der Technischen Hochschule Dresden (heute TU Dresden), zu Mitgliedern der Kommission bestimmt. Letzterer war in Bad Frankenhausen kein Unbekannter. Erst ein Jahr zuvor hatte er zusammen mit seinem Mitarbeiter, Dipl.-Ing. Wiegand, die Arbeiten zur Sicherung der Oberkirche und ihres Turmes abgeschlossen. 2

Während der Sicherungsmaßnahmen an der Oberkirche hatte er sich auch ein umfassendes Bild vom geologischen Untergrund rings um die Oberkirche gemacht. Für alle Beteiligten schien er der rechte Mann zu sein, die wahre Schadensursache herauszufinden.

Versicherer Allianz begeht Fehleinschätzung

Inzwischen war ein Vertreter der Allianz eingetroffen und hatte versucht, den entstandenen Schaden zu beurteilen. 3 Seiner Einschätzung zu Folge, belief sich der entstandene Schaden auf 10.000 RM. Eine völlige Fehleinschätzung wie sich noch zeigen sollte. Abzüglich der Aufwandsentschädigung für den Gutachter überwies die Allianz Architekt Otto Immendorff eine Summe in Höhe von 9.880 RM. Immendorff selbst schätzte die zusätzlichen Kosten für den Wiederaufbau auf 30.000 RM. Auch er sollte sich mit dieser Summe verschätzen. Denn der entstandene Schaden ließ sich nicht einfach reparieren. Um das Vorhaben - Bau eines Soleschwimmbades - überhaupt Wirklichkeit werden zu lassen, machte sich ein vollständiger Wiederaufbau notwendig.

Am 15. August 1936 legte dann Prof. Ruth ein erstes Gutachten vor, indem er die Ursachen aufführte, die in ihrer Summe zum Einsturz eines Teiles des Beckens führte. 4

In erster Linie sah er die Ursache im Untergrund, der bis in 8 m Tiefe aus Aufschüttungen bestand. Des Weiteren war die alte Saline nicht komplett abgetragen worden, im Gegenteil, ein Teil des Beckens war auf dem alten und maroden Mauerwerk aufgebaut worden. Der Architekt hätte dieses erkennen müssen. Unsachgemäß gearbeitet hätte allerdings auch die Fa. Mimas. Entgegen den Festlegungen des Architekten hätte die Baufirma die Fugen unvollständig ausgeführt. Ebenso hätte die Fa. H. Grabe frühzeitig erkennen müssen, dass der Untergrund bei Baubeginn nachgab. Zusammen mit dem Architekten bekam die Fa. Mimas die Hauptschuld.

Nach Bekanntwerden des Gutachtens lehnte die Mimas jede Haftung gegenüber den Bauherren ab. Erst als das Gutachten von Seiten des Thüringischen Wirtschaftsministeriums angenommen worden war, gaben die Beschuldigten nach. Schließlich verpflichtete Prof. Ruth die Beschuldigten zu den folgenden Schadenssummen:

  1. Architekt Immendorf hat 14.800 RM zu Zahlen und übernimmt weiterhin die Oberbauleitung, jedoch ohne Entlohnung,
  2. Fa. Mimas zahlt 4.600 RM, behält jedoch dafür die Bauausführung,
  3. Fa. Hermann Grabe verzichtet auf 600 RM ausstehender Zahlungen durch die Bauherren.

Nicht belangt werden konnte hingegen der Arbeitsdienst, der die Ausschachtungsarbeiten unvollendet hatte. Dass der Arbeitsdienst nicht im Gutachten auftauchte, verdankte er zum überwiegenden Teil dem NSDAP-Ortsgruppenleiter. H. Bartels wollte vermeiden, dass der Arbeitsdienst sich eine andere Stadt aussuchen könnte, um sein Arbeitsdienstlager dort zu errichten. Für ihn war bereits der vorerst misslungene Schwimmbadbau ein herber Prestigeverlust. Einen noch wesentlich größeren Prestigeverlust befürchtete Bürgermeister Neubauer. Schließlich war er es gewesen, der Architekt Immendorff ausgewählt und verpflichtet hatte.

Opportunismus der Verantwortlichen

Innerhalb der nächsten Monate wurde der Druck auf beide so stark, dass sie befürchten mussten, ihre Posten zu verlieren. In einer vertraulichen Ratssitzung Anfang März 1937 bat der Ortsgruppenleiter die Ratsherren, sich in der Öffentlichkeit positiv für den Wiederaufbau des Soleschwimmbades einzusetzen. 5

Als einige Ratsherren am Zustandekommen zweifelten, wurde aus der Bitte des Ortsgruppenleiters eine unmissverständliche Aufforderung. Bürgermeister Neubauer rechnete mit einer Amtsenthebung. Um dieser zu entgehen, trat er im Mai 1937 in die NSDAP ein, der er bislang nicht angehört hatte. 6

Die Befürchtungen der beiden waren nicht unbegründet, doch erwiesen sie sich als falsch. Seitens der Landesregierung in Weimar wurde weitgehend alles vermieden, was den Eindruck erwecken könnte, Vertreter der nationalsozialistischen Bewegung trügen die Verantwortung für das Misslingen.

Währenddessen arbeiteten Prof. Ruth und sein Mitarbeiter, Dipl.-Ing. Wiegand, an Lösungen für den Wiederaufbau. Doch dieser sollte sich weit schwieriger erweisen, als zunächst alle erwartet hatten.

Dr. Ulrich Hahnemann

Literaturverzeichnis

  1. StadtA Bad F, 1/VIII-73: Wiederaufbau Soleschwimmbad 1936-1938. Beratungsprotokoll vom 23.07. 1936.
  2. Pieper, Klaus: Georg Ruth - Wegbereiter denkmalgerechter Ingenieurmaßnahmen, in: Erhalten historische bedeutsamer Bauwerke, Jahrbuch 1986, S. 10 und 16.
  3. StadtA Bad F, 1/VIII-73: Wiederaufbau Soleschwimmbad 1936-1938. Schreiben der Allianz vom 10.08. 1936.
  4. Ebenda, Gutachten vom 15.08. 1936.
  5. Ebenda, Ratssitzung vom 02.03. 1937.
  6. StadtA Bad F, 1/11 D-310: Personalakte Bürgermeister Friedrich Neubauer 1935-1945.
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