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Beutlerhandwerk

Zwar verweist der Name dieses Handwerkes auf eines seiner Hauptarbeitsgebiete, nämlich die Herstellung von Geld- und Tragebeuteln, jedoch war das Arbeitsfeld weit umfangreicher, als man vermuten würde. So fertigten die Beutler auch Handschuhe, Hosen, Schnürstrümpfe, Degenkoppel, Patronentaschen mit Riemen, Westen, Tabaksbeutel, Hosenträger, Halsbinden, Mützen und Bandagen.

Allerdings gab es für das Produktionssortiment eine maßgebliche Einschränkung. Sie durften alle oben aufgeführten Gegenstände nur aus Leder und zwar aus dem durch die Weißgerber hergestellten, feinen, weichen Leder produzieren. Wurden z.B. Handschuhe oder Strümpfe aus textilem Gewebe oder Wolle gefertigt, gehörten sie bereits zum Arbeitsgebiet eines anderen Handwerkes.

Wolle, Samt, Seide oder auch Pelze durften die Beutler nur zusätzlich und zur Verfeinerung ihrer Waren verarbeiten. Bestimmungen dieser Art wurden erstmals am 9. März 1700 ausführlich schriftlich fixiert. An diesem Tag erhielten die Frankenhäuser Beutlermeister von der schwarzburg-rudolstädtischen Landesregierung ihre Innungsartikel bestätigt und damit die Möglichkeit, Lehrjungen anzunehmen und auszubilden und Meisterprüfungen abnehmen zu dürfen. Wer sich von jetzt an in Frankenhausen als Beutler etablieren wollte, musste eine 3 bis 4jährige Lehre absolviert und sein Meisterstück ohne Beanstandungen der Lehrmeister angefertigt haben. Das Meisterstück bestand in der Regel in der Fertigung von

  • 1 Paar Hosen aus Ziegen- oder Wildleder,
  • 1 Paar Männerhandschuhen und
  • 1 Paar Frauenhandschuhen.

Im 19. Jahrhundert verlangte die Prüfungskommission auch Mützen, Tabaksbeutel und Hosenträger als Meisterstücke, wobei sich Aussehen, Farbe und Verzierungen nach der jeweils vorherrschenden Mode richten sollten. Bevor jedoch ein Beutlergeselle überhaupt zur Meisterprüfung zugelassen wurde, musste er eine meist dreijährige Wanderschaft hinter sich bringen. Diese führte ihn u.a. nach Leipzig, Dresden, Wittenberg, Langensalza und Mühlhausen.

Öftere Überschneidungen der Arbeitsgebiete

Erste schriftliche Aufzeichnungen über das Beutlerhandwerk unserer Stadt verwahrt das Stadtarchiv ab dem Jahre 1600. Daraus geht hervor, dass die damaligen Frankenhäuser Beutlermeister ihr Handwerk u.a. in den Städten Langensalza, Mühlhausen oder Greußen gelernt hatten und sich anschließend hier niederließen.
Obwohl die Arbeitsgebiete der einzelnen Handwerksinnungen in ihren Innungsartikeln peinlich genau beschrieben waren, kam es des Öfteren zu Überschneidungen.

Das lag einfach daran, dass nicht alle Innungen in ein und demselben Jahr gegründet wurden. Zumeist lagen zwischen den Gründungsdaten der Innungen mehrere Jahre, Jahrzehnte oder gar ein ganzes Jahrhundert. Die »Beamten« die dann die Artikel einer Handwerksinnung durchzusehen und dem Landesherrn oder seiner Regierung zur Bestätigung vorzulegen hatten, kannten oft nicht den Inhalt der Artikel anderer Handwerker.

So besaßen Schneider, Weißgerber und Beutler jeweils das Recht, Lederhosen anfertigen zu dürfen. Jeder von den Dreien beanspruchte dieses Recht für sich alleine. Was nun tun? Zum Einen versuchten die Landesbehörden dann zu schlichten, zum Anderen ließen sie die Sache so lange ohne Entscheidung, bis sie sich im Sande verlief oder der Lauf der Zeit eingriff, indem das gemeinsam hergestellte Produkt kaum noch gefragt war. Nur selten kam es zu einem gütigen Vergleich, und das auch erst nach vielen Jahren und vergeudeten Prozesskosten, wie im folgenden Beispiel:

Im März 1824 kam es zu einem Streit zwischen der Beutler- und der Kürschnerinnung. Den Anlaß lieferten die Beutler, die die von ihnen hergestellten Handschuhe entsprechend dem Verlangen der Mode mit übermäßigen Pelzbesatz versahen. Nun war aber die Verarbeitung von Pelzen (Rauchwaren) eine ausschließliche Domäne der Kürschner. Keine der beiden Parteien rückte von ihrem Standpunkt ab, sodass sich die Auseinandersetzungen über zwei Jahrzehnte hinzogen.

Dann ergab sich für die staatlichen Behörden eine Eingriffsmöglichkeit. In beiden Innungen sank die Zahl der Meister, sodass ihre selbständige Existenz für die Zukunft fraglich wurde. Da stieß der Vorschlag, beide Innungen zu vereinigen auf offene Ohren. Nach einigen Vorgesprächen im Herbst 1845 wurde die Zusammenlegung beider Innungen im Februar 1846 vollzogen. Die Meister der neuen Innung hatten nun die Möglichkeit, auch die Waren der ehemals selbständigen anderen Innung herzustellen, soweit das in ihren Möglichkeiten stand.

Aus der Mode gekommenes wurde einfach gefärbt oder modisch aufgepeppt

Neben der Herstellung neuer Hosen, Mützen oder Handschuhen war auch deren Säuberung ein gewinnbringendes Geschäft. Als es noch keine Reinigungen gab, übernahm dies der Produzent des jeweiligen Produktes selbst. Schließlich kannte er sich mit den Eigenschaften des Materials, z.B. Leder bestens aus. Ließ sich das Produkt nicht mehr reinigen oder war es gar aus der Mode gekommen - kein Problem - der Beutlermeister färbte es nach dem Wunsch des Kunden oder er arbeitete z.B. die Mütze nach den neuesten, auf der »Leipziger Messe« gezeigten Modetrends einfach um.

Die Zahl der vorhandenen Beutlermeister war schwankend. Das lag vor allem daran, dass ein Teil ihres Produktionssortimentes sehr von der Mode abhängig war. So gab es 1755 3 Meister, 1799 4, 1855 8, 1868 7 und 1880 3 Meister in Frankenhausen. Dazu kam noch, dass einige Produkte nun auch in industrieller Massenfertigung wesentlich preisgünstiger fabriziert werden konnten.

Auf diese Entwicklungen reagierten die Beutlermeister recht unterschiedlich. Einer von ihnen, Robert Höhne, gründete eine Handschuhfabrik, die aber noch vor der Jahrhundertwende ihre Produktion wieder einstellte. Andere verlegten sich nach und nach auf den Handel mit industriell gefertigten Erzeugnissen ihrer Branche, die sie vorwiegend auf der Leipziger Messe einkauften. Insbesondere gründeten sie eine Reihe von Hut- und Mützengeschäften.

Ein Geschäft, das des Beutlers und Mützenmachers Hermann Hillig, lässt sich genau lokalisieren. Es befand sich seit 1853/54 im Haus Kräme - Ecke Schmiedegasse (Erfurterstr.), heute »Modehaus Körner«.

Geschäfte oder Wohnhäuser von Frankenhäusern der damaligen Zeit zu bestimmen, fällt nicht leicht, da es vor 1899 keine Adressbücher gibt. Eigenhändige Ortsbeschreibungen - wie oben - finden sich nur selten. Zumeist lauten sie folgendermaßen:

»Mein Geä befindet  zwien dem des Sneidermeiſters Müer und dem Wohnhaus der Wilhelmine Meier in der Kräme.«

Nach wie vor stellten einzelne Beutlermeister aber ihre Waren noch selber her, und das mit recht beachtlichem Erfolg. So konnte der Beutler August Werther auf der zweiten »Allgemeinen Thüringischen Gewerbeausstellung« in Weimar 1861 für seine Erzeugnisse eine silberne Medaille entgegennehmen. Den Erfolg ließ die fürstliche Regierung landesweit in den Zeitungen publizieren. Dennoch ging zwischen 1850 und 1900 die Zahl der Beutler ständig zurück. Als letzter wird 1906 ein Carl Förderer genannt, der aber überwiegend mit Kürschner- und Beutlerwaren Handel trieb.

Ulrich Hahnemann

Literatur- und Quellenangaben:

Stadtarchiv Bad Frankenhausen: Aktenbestand „Handwerk, Handel, Gewerbe“ - Akten-Nr.: 1/X - 56 und 57.
Frankenhäuser Intelligenzblatt: 1860, 1861 und 1867.
Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt, Bestand Landratsamt Frankenhausen Nr.: 2107, 3481,4687 und 4688 und Regierung Frankenhausen Nr.: 405.

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