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1. Thüringer Verfasssung

Frankenhausen und die Unterzeichnung der ersten thüringischen Verfassung vor 185 Jahren

Beitrag aus dem Frankenhäuser Wochenblatt 2001

Man schrieb das Jahr 1813. In Deutschland und weiten Teilen Europas kämpften die Völker gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Am 24. November des Jahres schloss sich das kleine thüringische Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt den verbündeten Mächten Russland, Preußen, England, Österreich, Schweden und weiteren Staaten an und verließ damit das dem Kaiser der Franzosen, Napoleon I. unterstehende Bündnissystem. Der nach der siegreichen Völkerschlacht von Leipzig (16. - 18. Oktober 1813) von allen thüringischen Kleinstaaten vorgenommene Frontwechsel auf die Seite der Verbündeten, sicherte ihnen nach dem Krieg ihr weiteres Fortbestehen. Denn wer es versäumt hatte, sich rechtzeitig von Napoleon I. zu trennen, musste wie der König Friedrich August von Sachsen mit erheblichen territorialen Verlusten oder gar der Entbindung von seiner Fürstenwürde rechnen.

Noch vor der endgültigen siegreichen Beendigung der sogenannten Befreiungskriege am 18. Juni 1815 in der Schlacht bei Waterloo (Belgien) hatten sich die verbündeten Staaten seit September 1814 in Wien zu einer Konferenz zusammengefunden, um die Nachkriegsordnung zu verhandeln. Dabei beschlossen die insgesamt 35 deutschen Territorialstaaten (darunter die beiden Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen) und die 4 freien Städte (Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt/Main), an Stelle des 1806 aufgelösten Heiliges Römisches Reich deutscher Nation den »Deutscher Bund« als einen locker gefügten Staatenbund zu bilden. Während der Befreiungskriege hatten einige deutsche Fürsten ihren Untertanen sogar das Versprechen gegeben, eine Verfassung einzuführen. Das Einrichten von »landständischen Verfassungen« wurde in Artikel XIII. der am 8. Juni 1815 beschlossenen »Deutschen Bundesakte« fest geschrieben.

Aber nur wenige deutsche Fürsten sollten gerade diesen Artikel gegenüber denen von ihnen regierten Ländern auch einlösen. Einer von ihnen, der sich an die Beschlüsse der Bundesakte hielt, war Fürst Friedrich Günther von Schwarzburg-Rudolstadt. Als erster thüringischer Fürst unterzeichnete er am 8. Januar 1816 die »Landschaftliche Verfassung« seines Fürstentums, der ersten thüringischen Verfassung überhaupt. Nur wenige Tage später, am 22. Januar wurde der Text der Verfassung im »Wöchentlichen Frankenhäusischen Intelligenz-Blatt«, der seit 1765 erscheinenden Regionalzeitung publiziert und damit auch allen Einwohnern Frankenhausens bekannt gemacht. Nachstehend ein Ausschnitt aus dem Verfassungstext:

Von Goes Gnaden, Friedri Günther, Fürſt zu Swarzburg-Rudolſtadt etc. Das Vertrauen, weles Wir zu der o erprobten Liebe und Anhänglikeit Unſerer getreuen Unterthanen mit Ret hegen; ſo wie die Zuvert, mit weler dieſelben von Uns herzlie Landesväterlie Fürſorge für ihr Beſtes, mögliſte Sonung in Anſehung der drüenden Laſten der Zeit, und biige und gleimäßige Vertheilung derſelben erwarten, und na der Erfahrung, die ihnen vor Augen liegt, erwarten können, bedarf keiner Beveſtigung oder Vermehrung.

Um jedo den Beſtimmungen des deuten Bundes-Vertrags Genüge zu leiſten, und die Verfaung Unſres Fürſtenthumes mit den Einritungen in den benabarten deuten Bundes-Staaten, auf gleien Fuß zu ſeen, finden Wir für gut, folgendes anzuordnen:

1. Es ſo eine Repräſentation des Volks in Unſerm Fürſtenthum gebildet werden, deren Wirkſamkeit  auf die Berathung über ae Gegenſtände der Geſegebung, wele die perſönlien und Eigenthums-Rete der Staatsbürger, mit Einluß der Beſteuerung betreffen, erſtret.

2. Dieſe Volks-Repräſentation ſo aus Atzehn dur freie Wahl zu ernennende Landes-Repräſentanten beſtehen, nehmli:

6 Rierguths-Beer, 6 Einwohner von Städten, 6 mit Land-Eigenthum angeſeene Unterthanen, wele weder Riergüther been, no ſtädtie Bürger nd

Von den insgesamt 18 »Landes-Repräsentanten«, die erst später als Landtagsabgeordnete bezeichnet wurden, sollten von jeder der drei wählbaren Gruppen je zwei aus der schwarzburgischen Unterherrschaft Frankenhausen kommen. Zu diesem Zeitpunkt setzte sich die als Unterherrschaft Frankenhausen benannte Verwaltungseinheit des Fürstentums aus den drei Städten Frankenhausen, Kelbra und Heringen und aus den jeweils umliegenden Gemeinden, z.B. Rottleben, Göllingen, Seehausen, Esperstedt, Udersleben und Ringleben zusammen.

Gewählt wurden die Abgeordneten für 6 Jahre. Es sollten aber noch einmal mehrere Jahre vergehen, bis die Wahlhandlungen erfolgten und am 20. Februar 1821 die Namen der gewählten Personen feststanden. Einer der Gründe für die Verzögerung war die 1819 unter dem Druck des Königreiches Preußen erfolgte Gebietsregulierung, in deren Folge die Ämter Kelbra und Heringen an den größten deutschen Bundesstaat abgetreten werden mussten. Erst durch diese Abtretung erlangte das Fürstentum seine vollständige Souveränität innerhalb des »Deutschen Bundes«, indem das seit dem 15. Jahrhundert bestehende Lehnsverhältnis der Schwarzburger Fürsten gegenüber den Kurfürsten von Sachsen, seit 1815 zu den Königen von Preußen aufgehoben wurde.

Sichtbares Zeichen der damaligen Grenzziehung ist die heute am Kyffhäusernordrand zwischen dem Freistaat Thüringen und dem Land Sachsen-Anhalt verlaufende Landesgrenze. Verbunden mit dem einhergehenden Bevölkerungsverlust war eine Reduzierung der Zahl der wählbaren Abgeordneten in der Unterherrschaft um 3 Personen, jeweils einer in den drei Wahlgruppen. Der erste gewählte Frankenhäuser Landtagsabgeordnete war der studierte Theologe Bernhard Ludwig Garthoff (1778 - 1862). Als Vertreter der Landbesittzenden, nicht städtischen Bürger hatte man Johann Michael Ußlepp (1759 - 1821) aus Esperstedt gewählt. Der Vertreter der Rittergutsbesitzer kam aus Rottleben.

Am 9. April 1821 war der gewählte Landtag dann erstmals zusammengetreten und hatte eine Plenarsitzung abgehalten. Vergütet wurde die Tätigkeit als Abgeordneter damals mit 3 Reichstalern und 12 Silbergroschen (1 Reichstaler = 24 Groschen = 288 Pfennige). Wer von außerhalb anreisen musste, erhielt für jede zurückzulegende Meile (1 Meile ca. 7,532 km) Wegstrecke vom Wohnort bis zur Residenz Rudolstadt eine zusätzliche Vergütung von 1 Reichstaler und 12 Silbergroschen. Bestritten werden mussten damit z.B. die Kosten für die Benutzung der Postkutsche, die von Frankenhausen über Weimar nach Rudolstadt fuhr und damals die wichtigste Verbindung zwischen den rund 70 km auseinander liegenden schwarzburgischen Landesteilen darstellte.

Die 1816 erlassene Verfassung wurde für unwiderruflich erklärt. Nicht nur für seine Person, sondern auch für seine Nachfolger hatte der Fürst festlegen lassen, dass die einmal in Kraft getretene Verfassung nicht wieder aufgehoben werden konnte. Er verzichtete damit gleichzeitig auf eine absolutistische Regierungsweise und eröffnete den Weg zur konstitutionellen Monarchie, wie wir sie heute noch in europäischen Staaten wie Dänemark, den Niederlanden und anderen Ländern finden.

Zu Unrecht wurde diese historische politische Leistung in der Vergangenheit zurückgesetzt und ist seit dem Ende der Monarchie 1918 in Vergessenheit geraten. Dazu beigetragen haben im 19., aber auch im 20. Jahrhundert die der Historie des Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach zugetanen Historiker, die bemüht waren, das klassische Weimar Goethes, Schillers und Wielands und ihres Gönners und Großherzogs Carl August zu verklären. Dieser hatte durch seine Unterschrift am 6. Mai 1816 ebenfalls eine »Landständische Verfassung« in Kraft gesetzt. Im Gegensatz zum Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt war der Landtag aber bereits im gleichen Jahr zusammengetreten und hatte seine Arbeit aufgenommen. Diese schnelle Umsetzung machte das Großherzogtum und seinen Fürsten nicht nur in ganz Europa bekannt, wofür auch Johann Wolfgang von Goethe mit Sorge getragen hatte, sondern ließ größere deutsche Staaten wie Preußen oder Bayern, aber auch Länder wie das Kaiserreich Österreich-Ungarn und Russland erzittern.

Nicht zu Unrecht fürchtete man hier gleichartige Forderungen der »Untertanen«, da man es mit der Umsetzung der Beschlüsse des Wiener Kongresses nicht allzu genau genommen hatte. Man setzte den Großherzog nicht nur politisch unter Druck und forderte von ihm eine Mäßigung in der Gewährung politischer und bürgerlicher Freiheiten für seine Landeskinder, sondern drohte ebenso unverhohlen mit militärischen Mitteln. Diplomatische Gewandtheit und persönliche Standhaftigkeit des Großherzog Carl August führten im Nachhinein zu einer Verklärung der Weimarer Verhältnisse und ließen die schwarzburgischen Leistungen fast völlig in den Hintergrund treten.

Deshalb soll die kurze Schilderung der Gegebenheiten ein Beitrag dazu sein, die Erinnerung an die Ereignisse von vor 185 Jahren wach zu halten.

Ulrich Hahnemann

Literaturhinweise:

»Wöchentliches Frankenhäusisches Intelligenz-Blatt«, Nr. 4 vom 22. Januar 1816.
Lengemann, Jochen: Landtag und Gebietsvertretung von Schwarzburg-Rudolstadt 1821 - 1923.
Jena/Stuttgart 1994.

Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt (Hrsg.): Die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt, 2. Auflage 1998. (Biographie Fürst Friedrich Günther von Schwarzburg-Rudolstadt). Schwartz, Hugo: Das Staats- und Verwaltungsrecht des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Hannover 1909.

Ruhe, Rudolf: Zur Geschichte der Volksvertretungen in den beiden Schwarzburg im 19. und 20. Jh. (In Rudolstädter Heimat - Hete 1957, S. 77-91).

Ebersbach, Volker: Carl August Goethes Herzog und Freund. Köln / Weimar/ Wien 1998, S. 205 ff.

 

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